Wer hat Schuld am Unfall der beiden Red Bull?
Es war die Frage des Rennen: Wer ist für das Desaster bei Red Bull verantwortlich? In Runde 40 fuhr Daniel Ricciardo seinem Teamkollegen Max Verstappen ins Heck. Auf der Zielgeraden. Direkt vor den Augen der Chefetage am Kommandostand. Zu viel für Adrien Newey. Der Red Bull Technik-Guru setzte eine finstere Miene auf und ging zurück in die Garage. Der Zusammenstoß der beiden war nur das große Finale eines Spannungsbogens, der sich schon über das ganze Rennen aufgebaut hatte.
Zuerst lieferten sich Daniel Ricciardo und Max Verstappen noch einen heißen Vierkampf mit Nico Hülkenberg und Carlos Sainz. Dann kamen sich die beiden gleich drei Mal so nah, dass man auch Lack austauschte. Die Explosion lag in der Luft. Trotzdem wollte man bei Red Bull beiden Fahrern freie Hand lassen. „Die Duelle waren am Limit, hart, aber fair“, urteilte Motorsportchef Helmut Marko. Hätte eine unterschiedliche Taktik die Situation entschärfen können? „Dabei wird einer deiner beiden Fahrer benachteiligt. Unsere Philosophie war immer, beiden Fahrern die bestmögliche Strategie zu geben“, wehrte Teamchef Christian Horner ab.
Nach dem Boxenstopp fiel Ricciardo wieder hinter Verstappen zurück – obwohl er als Erster abgefertigt wurde. Kein Wunder, dass er mit einer gewissen Motivation an die Sache heran ging.Schließlich hatte er sich zuvor schon die Zähne am Holländer ausgebissen und den Platz dann hart erkämpft. Verstappen wiederum stand nach seiner Unfall-Serie ebenfalls unter Druck. Er blockierte die Innenspur, zog zuerst leicht nach rechts, dann nach links. Für Ricciardo wurde der Platz auf der Innenseite der Zielgerade immer enger. Direkt an der Boxenmauer lag jede Menge Staub, was den Bremsweg dramatisch verlängerte. So krachte der eine Red Bull in den anderen.
Sowohl Marko als auch Horner sehen den Vorfall 50:50. „Beide tragen gleich viel Verantwortung. Da kann man keinem mehr oder weniger Schuld geben. Die beiden sollten wissen, dass da 800 Leute für sie an den zwei Rennautos arbeiten. Und dann machen die so etwas. Unsere Fahrer werden sich bei allen unseren Mitarbeitern entschuldigen müssen.”
Wie schlitzte sich Bottas den Reifen auf?
Mercedes träumte nach dem missglückten Angriff von Sebastian Vettel schon vom Doppelsieg. Doch dann flogen im wahrsten Sinne des Wortes die Fetzen. Am Auto vom Führenden Valtteri Bottas . Mit dem rechten Hinterreifen zerplatzten auf der Zielgeraden auch die Hoffnungen auf den Sieg für den Finnen in Kurve 49. Aus Mercedes-Sicht erbte immerhin Lewis Hamilton den Triumph und konnte so die Silberpfeile von ihrer bisherigen Sieglosigkeit erlösen.
Aber was brachte den Reifen überhaupt zum Bersten? Es war ein Trümmerteil aus Metall, wie man bei Mercedes später feststellte. Die Nachuntersuchung ergab, dass es wohl von einer Berührung zwischen Pierre Gasly im Toro Rosso und Kevin Magnussen im Haas F1 stammen musste, die sich eine Runde zuvor berührten. Zunächst gab es die Spekulation, das Teil wäre schon vor der Safety Car-Phase herumgelegen und womöglich sogar noch von Fernando Alonsos lädiertem McLaren gewesen. Doch diese Theorie schloss Rennleiter Charlie Whiting aus – das hätten die Streckenposten, die insgesamt einen guten Job beim Entfernen der Trümmerteile gemacht hatten, sonst schon entfernt gehabt.
Wie kam Charles Leclerc im Sauber auf Rang 6?
In der Formel 2 war Charles Leclerc eines dieser Wunderkinder. In den ersten drei Grand Prixin der Formel 1 mit Sauber blieb es aber recht ruhig um den Rookie in der Königsklasse. Spätestens seit dem Rennen in Baku schauen nun alle auf den 20-jährigen Monegassen. Er vollbrachte das Kunststück in diesem chaotischen Rennen über 51 Runden von Startplatz 13 auf den sechsten Rang nach vorne zu fahren und Sauber damit acht Punkte zu garantieren. Für ihn war es die erste Ankunft in den Punkten überhaupt.
Den Großteil der Arbeit leistete Leclerc bereits bis Runde 11. Da lag er bereits auf Platz sieben – auch wenn einige Autos ausfielen oder bereits einen Stopp absolviert hatten. Der Youngster zeigte aber auch Überholmanöver. So wie zum Beispiel in Runde 15, in der er an Kimi Räikkönenim Ferrari vorbeiging. Zwei Umläufe konnte er sich halten, dann schlug der Iceman wieder zu.
Danach folgte der erste Stopp in Runde 24 von Supersoft auf Soft, dann in Runde 40 wie mit allen anderen der Wechsel auf Ultrasoft. Auf Platz acht reihte er sich wieder ein, profitierte aber sowohl vom Ausfall von Bottas als auch von Romain Grosjean. Der feuerte seinen Haas F1 beim Reifen anwärmen in der Safety Car-Phase in die Mauer. Wohlgemerkt ein Pilot mit wesentlich mehr Erfahrung als Leclerc, der noch immer in der Lernphase ist, weil der Sprung von der Formel 2 mit strategischen Elementen wie Sprit sparen oder Reifen einteilen doch recht groß ist.
Dass ihm der Straßenkurs von Baku liegt, zeigte er bereits in der Nachwuchsserie im vergangenen Jahr mit zwei Siegen. Und auch die Longsruns vom Freitag waren vielversprechend. Kein Wunder, dass Sauber-Teamchef Fréderic Vasseur voll des Lobes war: “Er hatte gute Rundenzeiten und hat eine tolle Arbeit geleistet. Es war ein grosser Schritt für ihn, und er kann auf seine Leistung stolz sein.”
Wie entging Perez der DRS-Strafe?
Sergio Perez erlöste Force India. Und das gleich mit einem Podium. Perez kennt die Siegerlounge in Baku. Der Mexikaner wurde schon 2016 Dritter beim GP Aserbaidschan. Doch diesmal war die Fahrt in die Glückseligkeit ein Wechselbad der Gefühle. Und eine Zitterpartie bis zweieinhalb Stunden nach Rennende. Schon im Training zeigten die Force India-Piloten mit den Startplatzen 7 und 8 ihre ansteigende Form. Die Streckencharakteristik passte dem Auto. Kurze Kurven, lange Geraden. Eine Korrektur an den Leitblechen hatte das Fahrverhalten deutlich beruhigt. Das Heck lag stabiler auf der Straße. In der Abstimmung für mittleren Abtrieb zählte der VJM11 zu den effizientesten Autos im Feld.
Nach einer Berührung von Perez mit Sirotkin drohte beim ersten Re-Start weiteres Ungemach. Perez überholte Brendon Hartley noch vor der Safety Car 1-Linie. Indirekt gab er Sebastian Vettels Verzögerungstaktik die Schuld. „Das hat das Feld so breit aufgefächert, dass viele Autos nebeneinander fuhren und es schwer war, den Überblick zu behalten, wen du vor der Linie überholst und wen nicht.“ Die Sportkommissare brummten Perez eine Fünfsekundenstrafe auf. Normalerweise wäre die am Rennende zur Gesamtzeit addiert worden, doch weil das zweite Safety Car nach dem Red Bull-Crash Perez einen Gratis-Stopp für frische Supersoft-Reifen zuspielte, musste er die Strafe vor dem Reifenwechsel abdienen.
„Das Team hat einen super Job gemacht, mich trotzdem noch vor Grosjean rauszukriegen.“ Die Verteidigung der Position hinter Räikkönen war der Schlüssel für das Podium. Und dann noch das Überholmanöver gegen Vettel , der nach seinem Verbremser zwei Runden lang Grip suchte. „Danach hatten sich Sebs Reifen wieder erholt, und er hat mich echt unter Druck gesetzt. Es waren die zwei besten Runden meines Lebens, ihn hinter mir zu halten.“
Als bei Force India schon ausgelassen gefeiert wurde, erreichte das Team die nächste Hiobsbotschaft. Perez hatte auf der Zielgeraden für 2,4 Sekunden verbotenerweise das DRS geöffnet. Auch Lance Stroll und Kevin Magnussen saßen auf der Anklagebank. Die Teams wurden für ein paar Runden von der Rennleitung gebeten, den Fahrern direkt den DRS-Einsatz mitzuteilen, weil das Zeiterkennungssystem am ersten Messpunkt ausgefallen war. „Wir haben Checo gebeten auf das Qualifikationssystem umzuschalten, das ihm mit drei Piepstönen sagt, wann er den Heckflügel öffnen darf. Leider hat unser System auf der Zielgeraden automatisch angeschlagen, ohne dass er eine Sekunde hinter einem anderen Auto lag. Ab da haben wir Sergio über Funk den DRS-Befehl gegeben“, erklärte Szafnauer.
Die Sportkommissare drückten in allen drei strittigen Fällen die Augen zu. Keiner der vermeintlichen Profiteure hatte einen Vorteil. Und das Grundproblem lag bei der Zeitnahme und nicht bei den Teams. Force India hatte sich bereits für eine Diskussion mit den Kommissaren gerüstet. Teammanager Andy Stevenson wurde mit einem Schiedsrichter-Entscheid vom GP Ungarn 2013 in die Rennleitung geschickt. Damals kam Fernando Alonsobeim gleichen Vergehen ohne Zeitstrafe davon. Das Team musste allerdings 15 000 Euro Buße bezahlen. „Das wäre ein Präzedenzfall gewesen“, ist Szafnauer überzeugt.
Warum hat Ferrari Vettel so früh an die Box geholt?
Sebastian Vettel sah 30 Runden lang wie der sichere Sieger aus. Der Ferrari-Pilot lag 9,4 Sekunden vor Valtteri Bottas und 28,3 Sekunden vor Lewis Hamilton, der seinen Wechsel auf Soft-Reifen schon hinter sich hatte. Es bestand zu dem Zeitpunkt keine Not, Vettel an die Box zu holen. Auch Mercedes erwartete, dass Vettel wie Bottas und die Red Bull-Piloten so lange wie möglich auf den Supersoft-Reifen durchhalten würde, um sich gegen ein SafetyCar zu schützen und am Ende Ultrasoft- statt Soft-Reifen fahren zu können. Und trotzdem holte Ferrari seinen Starpiloten an die Box. Damit fiel Vettel hinter Bottas und lag nur noch knapp 8 Sekunden vor Hamilton. Schlimmer noch: Bottas vergrößerte auf den alten Supersoft-Reifen seinen Vorsprung noch auf 13,5 Sekunden. So war Vettel bei einer Safety Car-Phasse angreifbar. Was prompt so eintrat.
Vettel verteidigte seine Crew: „Wir hatten Angst, dass Lewis so weit aufholen würde, dass er bei einem späten Boxenstopp von mir nur noch drei bis vier Sekunden hinter mir liegt. Dann hätte er auf der langen Geraden vom Windschatten profitiert und jede Runde vier Zehntel geschenkt bekommen.“ Es kam noch schlimmer. Beim Re-Start verbremste sich Vettel beim Angriff auf Bottas und rutschte auf den vierten Platz ab. „Ich habe gar nicht viel zu spät gebremst, bin aber innen auf Bodenwellen gekommen. Deshalb konnte ich das Auto nicht mehr rechtzeitig anhalten.“
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